Frau Schletterer singt nicht mehr

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Ap
Kulturelle Aneignung
27.04.2021 14:35

Gerade las ich eine Schlagzeile, die verkündete, daß Justin Bieber für seine Frisur Kritik einstecken mußte. Er trägt seit neuestem Dread Locks, diese bewußt verfilzten, dicken Haarsträhnen, die man bei uns direkt mit einem Gedanken an Jamaica verbindet.
Der Vorwurf lautet: kulturelle Aneignung.
Mit diesem Vorwurf, ja mit dem ganzen Begriff, kann ich ehrlichgesagt eher wenig anfangen.
Zumindest dann tu ich mich schwer damit, wenn es lediglich darum geht, daß sich jemand – wie hier in diesem Beispiel – eine Frisur zulegt, die ursprünglich aus anderen Kulturen stammt.
Ich habe mal nachgelesen, wie man genau diesen Begriff der kulturellen Aneignung verstehen muß, und was daran so verurteilenswert ist. Und ich sehe es natürlich genauso, daß es völlig deplaziert ist, sich z. B. dadurch, daß man sich einen Bastrock anzieht und damit zu einer Party geht, über eine andere Ethnie lustig zu machen.
Allerdings kann ich nicht nachvollziehen, wieso ein Europäer sich bei der Frisur, die er trägt, nicht inspirieren lassen darf durch Haarmoden anderer Völker, Ethnien, Kulturen. Wenn das nicht tolerierbar ist, hätten Asiaten ja auch nicht den westlichen Kleidungsstil für sich adaptieren dürfen. Bei meinem Beispiel trifft nämlich sogar das zu, was kulturelle Aneignung auch noch ausmacht: ein Angehöriger einer Mehrheit macht sich ein Merkmal einer sich in der Minderheit befindlichen Ethnie zu eigen, bzw. er verwendet es in seinem persönlichen Styling. Und da es weit mehr Asiaten auf der Erde gibt als jede andere Ethnie, dürfte mein Argument durchaus greifen.
Daß sehr viele afrikanische, afroamerikanische und afroeuropäische Frauen sich die Haare glätten, orientiert sich ja auch am Erscheinungsbild der Ethnien, bei denen glattes Haar häufig vorkommt – geht aber wohl in Ordnung, weil die Damen das vor allem in Gegenden tun, wo sie in der Minderheit sind?
Mich stört weder das eine noch das andere. So lange die Person, die sich von Merkmalen einer anderen Kultur inspirieren läßt, das nicht tut, um sich über andere zu erheben oder gar lustig zu machen, mangelnden Respekt zu demonstrieren oder dergleichen, nehme ich das als Gestaltungselement wahr. Damit sage ich nichts darüber aus, ob mir alles bei jedem gefällt. Das müßte ich im Einzelfall für mich bewerten.
Ich möchte abschließend noch zu bedenken geben, wie sehr Deutsche oft dafür kritisiert werden, weil sie den rheinischen Sauerbraten und die Schwarzwälder Kirschtorte auch im Urlaub in Italien erwarten, und weil sie, wo sie gehen und stehen, in diesen Gesundheitssandalen zu sehen sind, in denen sie auf die Welt gekommen zu sein scheinen. Wenn sie sich aber die Haare frisieren wie ein Jamaicaner, ist es auch wieder nicht recht.

 

Lauter Deppen!
Christen in Südkorea

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