Frau Schletterer singt nicht mehr

15
Ja
Fanfarenklang
15.01.2020 13:15

Gestern übten wir mit dem Flötenkreis eine „Fanfare für ein Festival“ – ein Stück für 2 Sopranflöten, Alt-, Tenor- und Baßflöte.
Unsere Chefin stellte mir die Noten für die 1. Sopranflöte auf den Notenständer, und gleich nach einem ersten Blick auf das Notenblatt wurde mir bang. Das Stück sieht für den 1. Sopran enorm viele enorm hohe Töne vor. So hoch, daß ich skeptisch war, ob ich die überhaupt hinkriege (zumal ich zunächst gar nicht wußte, wie man sie greift – so selten mußte ich sie also in meinem bisherigen Leben spielen).
Nun gut, meine Flöte war ausreichend angewärmt, bei einem ersten Durchlauf sprachen daher tatsächlich alle Töne zuverlässig an, auch die ganz hohen. Ich war zufrieden.
Das Stück ist nicht ganz banal, daher spielten wir es in einem extrem langsamen Übetempo. Und wir spielten es mehrfach hintereinander, um ein Gespür für die Rhythmik zu kriegen. Mit der Zeit gelangen mir die hohen Töne dann ein wenig schlechter, zum Teil sprachen sie nicht mehr ganz so zuverlässig an wie am Anfang. Aber nach wie vor war ich zufrieden.
Bis eine der Damen mit den Altflöten vermeldete: „Also, die Sopranflöte… die ist… wie soll ich sagen… eine Herausforderung für die Ohren.“
Meine Zufriedenheit mit den Tönen, die meine Flöte für mich da von sich gegeben hatte, war erschüttert! Oder besser gesagt: im Namen meiner Flöte, die da so schöne Töne für mich hatte erklingen lassen, war ich empört! Zugegeben, in dem langsamen Tempo, in dem wir das Stück spielten, klangen die ganz hohen, sehr kurzen Töne wie eine Maus, der man auf den Schwanz getreten hatte. Aber sie waren klar, kernig und eindeutig. Sie so pseudocharmant und wenig verbrämt als Zumutung für die Ohren zu bezeichnen, erfüllte mich mit einer zarten Zuneigung für meine arme Sopranflöte und dem Bedürfnis, ihr leise tröstend ins Labium zu flüstern, daß sie ihre Sache sehr, sehr gut gemacht hatte – egal, was die böse Altflötistin da sagte.
Ich bin sicher, mein Flötlein hat gestern nacht leise in sein Etui geschluchzt…
 

Der Klangschnuller

Kommentare


Datenschutzerklärung