Frau Schletterer singt nicht mehr

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Ma
Hudora
30.05.2023 15:43

Heute bin ich über einen Text gestolpert, in dem jemand sich seinen Kindheitserinnerungen hingibt und da vor allem an seine Hudora-Rollschuhe zurückdenkt. Ich selbst hatte in den 70ern ja auch solche. Das waren noch welche, die man an die eigenen Schuhe festschnallte – mit einer „Sohle“ aus Metall, die man in der Länge verstellen konnte, und vorn über die Zehen Leder- oder Kunststofflaschen, mit denen sie am Fuß fixiert wurden. Hinten steckte die Ferse in einer Lederkappe, die wie bei einer Sandale mit einem Riemen über den Rist/ums Fußgelenk dort festgehalten wurde.
Schwarze, kleine Räder machten beim Laufen einen Höllenlärm, den die Dame im Erdgeschoß des Hauses, in dem wir wohnten, besonders haßte. So sehr, daß sie uns beim Vorbeifahren einen Eimer Wasser über den Kopf zu schütten versuchte. Getroffen hat sie aber selten, und bewirkt, daß wir mit dem Rollschuhlaufen aufhörten, hat es auch nicht.
Jedes Jahr, wenn der Frühling gekommen war, verstellte mein Vater mit einem Schraubenschlüssel für uns die Länge unserer Rollschuhe, und wir gewöhnten uns langsam wieder an diese Dinger am Fuß. Die Rollschuhe drückten wie Hölle, die Metallschließe des Halteriemens um das Fußgelenk herum schauerte uns die Knöchel auf, aber wir hatten trotzdem immer jede Menge Spaß. Wir machten Wettrennen und riskierten dabei Kopf und Kragen. Hofeinfahrten für Autos ignorierten wir nämlich standhaft, und wir sausten ungebremst drüber weg, denn auf hereinfahrende Autos zu achten, hätte uns ja wertvolle Sekunden gekostet.
Als irgendwann die ersten Rollschuhe statt mit roten mit grünen Laschen auf den Markt kamen, war das das erste Anzeichen, daß sich in der Rollschuhwelt was zu ändern begann. Als ich aus den Kinderschuhen bereits herausgewachsen war, kamen dann die ersten Stiefel auf den Markt, an deren Sohlen die Rollen direkt anmontiert waren. Die Zeit der anschnallbaren Rollschuhe war vorbei. Diese neuartigen Stiefel haben mich so fasziniert, daß ich mit dem Rollschuhlaufen nach Jahren der Abstinenz wieder anfing. Der Laufspaß von früher ließ sich damit aber nicht wiederbeleben. Die Dinger machten gar keinen Lärm, sie ließen sich nicht so gut lenken, und abschnallen konnte man die Rollen ja auch nicht, so daß man gezwungen war, entweder ein Paar normaler Schuhe zum Wechseln mitzuführen, oder eben bis an die eigene Haustür die Rollen anzubehalten.
Der Zauber war irgendwann ganz vorbei, als Rollschuhlaufen zu einem Erwachsenensport geworden war. Inline-Skating war der Tod des bisher reinen Kindervergnügens. Rollschuhfahrende Kinder sieht man heute kaum noch, und wenn, dann tragen sie zartrosa Siefelchen mit Rädchen dran, die zur Sicherheit in ihrem freiem Rollen stark eingebremst wirken.
Hudora hat sich längst vom reinen Rollschuhhersteller wegentwickelt, denn die Superflitzer aus den 70ern will heute keiner mehr haben – außer denen, so scheint es mir, die ihre Kindheit damit verbracht haben. 
(Nachtrag: ich habe gerade mal gegoogelt, und siehe da: Hudora stellt solche Rollschuhe tatsächlich nach wie vor her! Ob die wohl noch jemand kauft?)

 

Skandal!
"Schmackhaft"

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