Frau Schletterer singt nicht mehr

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Ich verstehe es nicht
14.12.2021 14:06

Heute las ich doch tatsächlich eine Artikelüberschrift, in der von „Pflegeheimbewohnenden“ die Rede war. Da frage ich mich, nicht zum ersten mal übrigens, ob man das Gendern wirklich dermaßen auf die Spitze treiben muß.
Es herrscht ja eine allgemeine Aufregung und ablehnende Haltung gegenüber dem Konstrukt des generischen Maskulinums. Es gehe nicht an, daß Frauen immer wieder zugemutet werde, in einem Begriff „mit gemeint“ zu sein. Viele Begriffe – oder auf jeden Fall die meisten, mit denen ein Gendern versucht wird – seien eindeutig maskulin und sprächen ausschließlich Männer bzw. Jungen an. Da müsse ein neues Verständnis für eine genauere Spezifizierung her.
Ich allerdings werde nie verstehen, was gegen die Verwendung eines Oberbegriffs für eine Gruppe von Menschen spricht. Um jetzt gerade mal beim Menschen zu bleiben: Alle sind sich ja einig, daß „der Mensch“ nunmal einen männlichen Artikel trägt. Und daß das grammatikalisch korrekt ist. Und daß niemand „die Menschin“ ergänzen muß, um klarzumachen, daß bei einer etwaigen Verwendung der Vokabel „der Mensch“ alle Geschlechter/alle Ausprägungen der Gattung Mensch inbegriffen sind. Wenn pauschal vom „Menschen“ die Rede ist, das Geschlecht also völlig irrelevant ist.
Seltsamerweise stört es ja auch niemanden, wenn jemand in irgendeinem Zusammenhang „die Person“ sagt. Welcher Mann würde sich je darüber beschweren, wenn er als Person bezeichnet wird? Jedem, aber auch jeder erschließt sich hierbei, daß der Kontext es schon klarmachen wird, ob die Person männlich, weiblich oder divers ist. Und wenn nicht, dann ist es wahrscheinlich für den Kontext unerheblich oder (noch) nicht bekannt.
Ich denke, wir müssen wieder weg von der ewigen Überlegung, ob man einen Begriff gerade verwenden darf, ob er denn also auch wirklich das gerade passende Geschlecht hat; und weg auch von der ewigen Verurteilung der Verwendung von Oberbegriffen, die halt nunmal zufällig im Maskulinum stehen. Es mag ja sein, daß viele dieser Begriffe in einer Zeit entstanden sind, in der nur Männer Arbeitnehmer waren, Steuern bezahlt haben und zur Wahl gegangen sind. Aber in vielen Zusammenhängen, in denen Wörter wie „Arbeitnehmer“, „Steuerzahler“, „Bürger“ usw. verwendet werden, ist das Geschlecht für die eigentliche Aussage ja völlig unerheblich. Genau so, wie wenn ich von einem Tierheim berichte, das zur Stunde mit 53 Hunden und 47 Katzen deutlich überbelegt ist. Für die Auslastung des Heims ist das Geschlecht von Hund und Katz‘ völlig wurscht; eine Unterteilung nach Hunden und Hündinnen und Katzen und Katern ist also komplett entbehrlich. Es sei denn, es geht eben nicht um die zahlenmäßige Belegung des Tierheims, sondern um die Frage, wieviele von den Pfleglingen möglicherweise trächtig sein könnten. Kontext ist alles.
Für mich ist das alles so simpel, und ich verstehe gar nicht, wieso man sowas überhaupt erklären und darüber in Streit geraten muß. Ich weiß nur, daß ich mir allzu oft selbst den Mund verbiete, weil ich weiß, daß ich mir mit dieser meiner Sicht auf die Dinge in unserer Gesellschaft nur (verbale) Prügel einhandeln kann.

 

Zum Tode von Dietwulf Baatz
Kunst oder nicht?

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