Frau Schletterer singt nicht mehr

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Mutterglück
07.12.2021 07:54

Lese ich heute bei Facebook eine Schlagzeile: „51jährige bringt gegen den Willen ihrer Eltern ein Kind zur Welt.“
Da frage ich mich doch sofort: was daran ist denn jetzt die Sensation?
Die Tatsache, daß eine Frau in so einem hohen Alter nochmal ein Kind kriegt?
Oder doch eher der Umstand, daß ihre Eltern dazu ihre Meinung äußern?
Oder besticht vor allem das, daß der Wille der Eltern bei dieser Schwangerschaft überhaupt irgendeine Rolle spielte?
Vielleicht geht es am Ende doch vielmehr darum, daß da ein Zahlendreher vorliegt, und es sich um eine 15jährige handelte, deren Eltern nicht ganz so begeistert waren, daß ihr Teenager ein Baby austrägt? Denn warum, bitte, sollte eine 51jährige(!) noch nach der Meinung ihrer Eltern fragen, wenn sie als reichlich erwachsener Mensch schwanger wird?
Ich habe den Text nicht gelesen, ich sah nur die Überschrift. Und jetzt finde ich den Artikel nicht mehr, denn die Anzeige in Facebook variiert ja von Sekunde zu Sekunde. Aber ich war von der Aussage derart verblüfft, daß ich sofort nach Word gewechselt habe, um meinem Erstaunen Luft zu machen.
Man fragt sich wirklich ganz oft, wieso heute offenbar kein einziger Text mehr korrekturgelesen wird. Denn es hätte doch jemandem auffallen müssen, daß diese Schlagzeile so nicht stehen bleiben kann.
Hätte da gestanden, die Schwangere sei 26 gewesen, hätte ich das Ganze ja noch glauben können. Denn die Generation unserer Kinder neigt ja doch dazu, etwas weniger selbständig durchs Leben zu gehen. Oder sagen wir so: etwas später eigenständig und erwachsen zu werden.
Aber eine 51jährige gehört ja offensichtlich zur Generation der Boomer, und die wird – wenn ihre Eltern überhaupt noch leben – ja wohl kaum ihre Familienplanung am Willen ihrer Eltern ausrichten. Und wenn diese Planung noch so spät beginnt.

Nachtrag (1 Tag später): ich habe den Artikel dann doch nochmal wiedergefunden. Es geht tatsächlich um eine Frau von 51 Jahren, die beschloß, durch Samenspende noch spätes Mutterglück zu erfahren. Nun gut, man mag anzweifeln, ob das eine gute Idee ist in diesem Alter. Und es stellte sich beim genauen Lesen heraus, daß die Eltern ihrer Tochter genau aus diesem Grund einfach nur davon abgeraten hatten. Alles also völlig normal. Aber das macht die Schlagzeile nicht wirklich besser, sondern bestätigt im Grunde meine Haltung zum mangelhaften Lektorieren von zu veröffentlichenden Texten heutzutage. Denn "gegen den Willen ihrer Eltern" suggeriert da ja doch ein ganz anderes innerfamiliäres Verhältnis...

 

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