In den letzten Wochen wird um mich herum viel gestorben. Erst war es eine Mitspielerin aus dem Flötenensemble, in dem ich spiele, dann starb überraschend ein Verwandter meiner Frau, und nun habe ich gestern erfahren, daß ein Vereinskamerad aus unserem Verein jetzt im Hospiz auf sein Ende wartet. Und zwei von den dreien waren bzw. sind zum Sterben eigentlich noch viel zu jung.
Wenn sich Todesfälle innerhalb kurzer Zeit häufen, ist das für mich immer wieder ein Anlaß, über die eigene Endlichkeit nachzudenken. Oder besser: mir ihrer bewußt zu werden.
Grundsätzlich lebe ich in dem Gefühl, aus meinem Leben das gemacht zu haben, was mich zufrieden macht. Wenn ich jetzt nochmal jung wäre, würde ich ziemlich sicher nicht sehr vieles anders machen. Das Studium, das ich damals nicht aufnehmen konnte, weil ich den NC nicht erreicht hatte, könnte ich heute zwar angehen. Und das würde dann ja automatisch zu einem anderen Lebenslauf führen als dem, den ich bisher hinter mich gebracht habe. Aber meine Sehnsüchte wären heute dieselben wie damals (und heute), und ich sitze nicht hier und trauere Erlebnissen nach, die ich früher nicht nachdrücklich genug versucht und deswegen verpaßt habe.
Ich habe auch nicht das Gefühl, vor meinem Ableben bestimmte Dinge unbedingt noch machen zu wollen bzw. zu müssen, damit mein Leben sich vollständig gelebt anfühlt.
Und dennoch wäre ich sicher nicht so gelassen, wenn ich sicher wüßte, daß jetzt bald der Tod mich holt, wie ich es momentan im Gedanken an meine grundsätzliche Endlichkeit bin. Ich müßte ja eigentlich von mir sagen können, daß ich „bereit bin“. Aber das bin ich natürlich noch nicht, auch wenn ich vom Leben nicht mehr viel erwarte. (Das klingt jetzt so defaitistisch, ist aber tatsächlich eher das Gegenteil, einfach weil ich im Grunde mit nichts wirklich hadere.)
Die größte Angst, die ich mit dem Gedanken an mein Sterben verbinde, ist die vor einer Wiedergeburt. Die Vorstellung, daß ich irgendwann als anderer Mensch wiedergeboren werde, und daß mich dann vielleicht ein sehr viel schwereres Leben erwartet, raubt mir meine Seelenruhe. Und da kann ich noch so sehr von mir behaupten, eigentlich an Himmel und Hölle zu glauben. Tatsächlich bin ich mir da offenbar ja doch nicht so sicher.