Gestern abend hat meine Frau ein Essen zubereitet, in das als eine der Zutaten Artischockenherzen aus dem Glas hinzugegeben waren.
Die Artischockenstücke hatten einen leicht säuerlichen Geschmack, was wohl dem geschuldet war, dass sie im Glas in eine entsprechende Flüssigkeit eingelegt waren. Auf jeden Fall haben sie dem Fleisch und der Soße eine ganz eigene, sehr schmackhafte Note verliehen, die mich sehr begeistert hat.
Als ich beschreiben wollte, welchen Geschmackseindruck das bei mir auslöste, fiel mir als erstes das Wort „pfiffig“ ein. Aber noch bevor ich es aussprechen konnte, erlahmten mir die Lippen, denn das Wort „pfiffig“ lasse ich generell nur sehr schwergängig über sie kommen.
Es wurde mit verleidet, als es Usus wurde, Ü60-Damen einen Kurzhaarschnitt zu empfehlen. Und zwar einen pfiffigen! Ein pfiffiger Haarschnitt bei Damen eines gewissen Alters ist etwas ganz Schlimmes! Er geht immer einher mit fransigen Konturen, langen, spitz zulaufenden Koteletten (uaarrgh!), nach oben geknetetem Deckhaar, viel Haarspray und mindestens einer roten Strähne im ansonsten silbernen Haar. Wenn es ganz schlimm kommt, gibt es irgendwo noch eine schwarze Strähne, oder der Schopf ist gänzlich rot gefärbt. Ein deutscher Comedian (ich weiß nicht mehr, wer es war) nannte die fragliche Farbe einst sehr treffend „klimakteriumsrot“. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Pfiffig will ich daher gar nicht mehr sein. Weder auf dem Kopf, noch was meine Kleidung betrifft. Und deswegen habe ich lange überlegt, wie ich mein Kompliment, das ich ganz ehrlich gemeint hatte, so in Worte fasse, daß meine Frau sich auch darüber freut und mir nicht unterstellt, ich wolle ihr Essen subtil in eine Reihe mit gefüllten Eiern und Mettigel stellen.
Nachdem wir eine Weile vor uns hin gekichert hatten, weil ohnehin von vornherein klar gewesen war, was ich dachte und sagen wollte, aßen wir einfach wortlos auf. Die Soße, das Fleisch und die pfiffigen Artischocken.