Frau Schletterer singt nicht mehr

18
Ma
Was bleibt, ist die Veränderung
18.05.2020 13:31

Als meine Mutter damals ins Wechseljahrealter kam, fing sie irgendwann an, darüber zu klagen, daß die Haut an ihrem Kinn und an ihrem Hals schlaffer wurde und sie „wie ein Truthahn“ aussehe. Das hat sie wirklich so gesagt.
Auch fand sie es überhaupt nicht toll, daß ihre Furchen (sic!) im Gesicht sich vertieften und die Poren sich vergrößerten.
Meine Reaktion damals: ich fand, daß das Altern schlicht eine Phase des Lebens sei, genau so wie die Verwandlung vom Kind zum Jugendlichen und das Erwachsenwerden. Und daß alle diese Wechsel halt nun mal mit Veränderungen im Aussehen einher gingen. Da solle doch jede/r drüber stehen und daran denken, daß jeder Mensch all das „mitmacht“ und es doch völlig normal sei. Ich war außerdem der Überzeugung, daß die Veränderungen beim Altern nicht zwangsläufig den Verlust von Attraktivität bedeuten.
Meine Mutter hat damals nur milde gelächelt und nichts weiter dazu gesagt.
Nun bin ich selbst in dem Alter; ich stehe vor dem Spiegel und sehe Falten, wo vor ein paar Jahren noch keine waren. Außerdem merke ich, daß die grauen Haare, die nun wieder zum Vorschein kommen, seit ich nicht mehr färbe, mich nicht annähernd so geheimnisvoll aussehen lassen, wie ich gehofft hatte. Sie sind mehr geworden in den letzten Jahren, aber betörendes Silbergrau ist nicht auszumachen.
Und da ich mit dem Altern auch an Gewicht zugelegt habe, gehöre ich nicht zu den Frauen, die mit zunehmender Anzahl an Lebensjahren nur grau werden und ein paar interessante Falten mehr bekommen, ansonsten aber schlank und unverändert von jedermann wiedererkannt werden, der sie seit 20 Jahren nicht mehr gesehen hat.
Ich erlebe jetzt am eigenen Leib das, was ich meiner Mutter damals nicht zugestand: daß ich mich mit steigendem Alter immer weniger wiedererkenne, wenn ich in den Spiegel schaue. Das Gesicht, das ich da sehe, ist nicht mehr meines.
Irgendwie macht mir das Angst.

 

Back to the roots
Alte, weise Männer

Kommentare


Datenschutzerklärung